Die Linzer Klangwolke '98 ( BTR Bühnentechnische Rundschau 1/99, 18ff. )

Die Klangwolke, als künstlerischer Brückenschlag zwischen Tradition und Zukunft, zwischen Internationalem Brucknerfest und Ars Electronica gegründet, avancierte in den vergangenen 20 Jahren zur prominentesten und populärsten Kulturveranstaltung der Oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz. Zehntausende kommen alljährlich auf die Donau-Uferwiesen, um unmittelbar an einem Ereignis teilzuhaben, das sich mitnichten auf Klang beschränkt: Die Musik ist gleichermaßen Kern, Ausgangspunkt und Leitfaden für die synästhetische Erweiterung durch visuelle Medien. 
Den Auftrag für Komposition und Gesamtkonzept der Klangwolke im September '98 vergaben die Veranstalter LIVA und ORF an das Wiener Komponisten- und Musikerduo Klaus Obermaier & Robert Spour, bekannt nicht nur für raffinierte Sounds und Rhythmen, osziliierend zwischen sanfter Sensibilität und brachialen Attacken, sondern auch für ihre Experimentierfreudigkeit in der Inszenierung multimedialer Performances.
So entstand die "JobOpera", ein Gang in vier Etappen durch die Geschichte der Industrialisierung und der zunehmenden Auflösung der Arbeits-, Lebens- und Erlebniswelt in die mediale Virtualität.

Eine dreimonatigen Klausur der Musiker erbrachte die circa einstündige Komposition - nicht auf Notenblättern, sondern per Harddisk-Recording, entstanden unter Einsatz von Samplern, Synthesizern und den eigenen Stimmen. Die CD-Abmischung in Dolby Surround folgte im ORF-Landestudio OÖ. Hubert Havel vom ORF hatte erstmals für die Klangwolke '97 die mehrkanalige Beschallung im Format Dolby digital eingeführt. Nun war die erste, auf diese Technik hin konzipierte Komposition entstanden, wiedergegeben von einer 250.000 Watt Tonanlage mit 8 auf Kränen hängenden Boxenclustern und 8 Subwoofer-Stationen. 8-kanalig programmierte Klangbewegungen dynamisierten und strukturierten den Donaupark - auch im Hinblick auf die optischen Effekte. Zentrum der Visualisierung von Teil 2, 3 und 4 war eine 80m x 15m große Leinwand am jenseitigen Donauufer. Hier tauchten die Schatten von Theremin-Vox und Gitarre spielenden Tänzern auf, hier erschien ein von Obermaier & Spour gestalteten Videos aus zwei, nahtlos nebeneinander projizierten Bildern, und diese Wand war schließlich der metallig beschichtete Hintergrund für die 3D-Laserprojektionen des Stockholmers Jan Kriland. 
Nachdem die Besucher diese gigantische, allerdings auch in 80m Entfernung jenseits des Wassers stehende Leinwand schon bei Ihrer Ankunft kaum übersehen konnten und sich unwillkürlich erwartungsvoll dorthin ausrichteten, ereignete sich der Beginn und erste Teil unangekündigt, an unvermutetem Ort, gewissermaßen "hinterrücks" - und geriet unversehens zum Highlight der JobOpera-Inszenierung. 

Für die Visualisierung der ersten industriellen Revolution hatten Obermaier & Spour den Tübinger Friedrich Förster ins Künstlerteam geholt, der sich in den vergangenen fünf Jahren unter CASA MAGICA firmierend zum Spezialisten für architekturbezogene Großbildprojektionen entwickelt hat. Im Gegensatz zu einer Nutzung von Gebäudeflächen als mehr oder weniger gut geeignete Leinwand, schuf sich Förster durch eine ausgetüftelte, computergestützte Technik die Möglichkeit zur exakten Abstimmung der projizierten Bilder auf die Architektur und damit zu deren Integration. Eindrucksvoll verschmelzen Bild und Raumgefüge, so daß als Extrempunkte der erzeugbaren Visionen einerseits direkte Thematisierungen des Bauwerks selbst, andererseits völlig illusionistische Überformungen der Architektur entstehen. 

Nachdem die ursprüngliche Idee für die Klangwolke, die Donauuferskyline beidseitig durch Projektionen auf 9 herausragende Gebäude atmosphärisch in eine Industrielandschaft zu verwandeln, am Budget gescheitert war, konzentrierten sich Förster und seine Mitarbeiterin Sabine Weißinger auf eine andere Herausforderung, die das Projekt offerierte: Sie wählten zwei vom Publikum zusammen einsehbare Fassaden eines einzigen Gebäudes, des am nächsten liegenden, dem Brucknerhaus benachbarten Hotels, eines 16-geschossigen, weißen quadratischen Turms, der bisher - vorwiegend als häßliche Verunzierung des Geländes eingestuft - niemals aus dem Schatten der Klangwolken-Nacht hatte treten dürfen. Und sie beschlossen, in intensiver Weise die Gelegenheit beim Schopfe zu packen, die ihnen die Vorab-Existenz des Soundtracks im Hinblick auf eine exakt synchronisierte Dynamisierung und Animation der Projektion bot. Für insgesamt 8 Minuten mutierte das Gebäude zu einer riesigen Maschinerie, prachtvoll und bedrohlich, lustig und aggressiv, in der Dimensionsverschiebung der hervorgehobenen Details die materielle Präsenz der ersten Industrialisierungsepoche ausspielend. Nach einer ruhigen Einleitung mit langsamer Aufblendung, stürzte das Geschehen in eine vorwärtstreibende Bewegung: die Bildfolgen beschleunigten sich, durch zyklische überblendung rotierten im Rhythmus der Musik z.B. Räder, kippten Hebel, mithilfe eines Scrollers schnappten Jacquardkarten, liefen Ketten, steigerte ein Kolben sein kraftvolles Auf und Ab.
Die Technik, die diesen Ablauf zu bewältigen hatte, waren insgesamt 7 Großbild-Projektoren: 3 Pani BP6 Gold mit AMD-Bildwechslern, positioniert auf 1m Höhe vor der zur Donau orientierten Fassade; 3 Pani BP6 Gold mit AMD-Wechslern und 1 Pani BP6 Gold mit ETC-Scroller auf dem Dach des Brucknerhauses. Die Steuerung aller Projektoren mit Bildwechslern lief über DMX, programmiert mit Dataton-Trax, die des Scroller-Projektors mit ETC-Software. Die Synchronisierung aller Projektoren erfolgte über SMPTE-Timecode.
Die Klangwolke '98 hat gezeigt, daß Bühnenprojektoren auch im direkten Wettstreit mit den modernsten visuellen Techniken weiterhin ein ausdrucksstarkes, höchst attraktives Medium sind. Man muß nur wissen wie, ihre schlummernden Fähigkeiten wecken und ihre technische Weiterentwicklung betreiben.